Bratze, Magnet Club
20.12.2010

Eine Ansage zur Absage. Die Verweigerung als einzige Möglichkeit. Das Aussteigen ohne ein ökologischer Rucksacktourist in Island sein zu müssen. Der Rückzug ins Ich, ins Private. All dies regen Kevin Hamann und Norman Kolodziej auf den Alben ihrer Band Bratze an. Sie wollen nicht moralisieren oder gar erziehen, sie wollen anstoßen. Zum Denken, Nachfragen und Reflektieren. Jedoch kommen sie nicht geretropunkt daher, sondern im elektronischen Musikgewand. So verspricht denn auch der abschließende Konzertabend der langen Tourtage im Berliner Magnet feiernd-nachdenklich zu werden, mit Publikum, das ausgelassen tanzt und die verkopften Texte aus vollem Herzen mitsingt. Nachdem die Vorband Reptile & Retard nur zu einem viertel bekleidet durch beinahe zwei Handvoll Songs tobte und dabei auch das Publikum nicht immer verschonte, zerstörten Hamann und Kolodziej das durchwachsene Publikum weiter. Sie zelebrierten ihre Songs in einer Mischung aus tiefer Hingabe und pöbelnder Attitüde, waren dabei stets zu einem Minimum sympathisch, manchmal sogar mehr. Zum Beispiel wenn sie die Inhaber eines Gästelistenplatzes zum Aufziehen einer neuen Gitarrensaite abkommandierten, sich mit weißen Hip-Hop-Handtüchern den Schweiß aus dem Gesicht wischten und herrlich pöbelig-fröhlich mit dem Publikum redeten. Die Masse machte begeistert mit, besang die Band und bescherte dem Duo mit den kraftvollen Beats einen Tourabschluss wie man ihn sich wünscht: rotzig, frech und mit Ausblick auf mehr. Bratze sind ein erfolgreicher Zusammenschluss, die Kombination aus Hamann und Kolodziej trägt sehens- und hörenswerte Früchte. Wer sie in diesem Jahr verpasst hat, darf sich ärgern und auf Kommendes hoffen. Denn da geht noch viel mehr, so viel Kraft wie in der Absage steckt. Bis dahin behalten wir diesen Abend in unseren Herzen, denn da gehört er hin.
Artikel: Johanna Weidauer, Foto: Presse
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Kommentar von Neverearly | 11.01.2011